Foto: MEHN
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Glaskunst: Der zugemauerte Teil des Fensters wurde geöffnet und farblich angepasst ergänzt.

Neue Raumwirkung: Pfälzer Sandstein liegt auf dem Boden.

VON GERD-UWE HAAS

HASSLOCH. Wer den um 1350 entstandenen Turmraum noch in seinem Ursprungszustand kennt, ist beim Betreten angenehm überrascht. Denn der Chorraum der einstigen Ulrichkapelle, der lange Jahre im Dornröschenschlaf geschlummert hatte, präsentiert sich heute mit einem völlig veränderten Raumeindruck.

Der Boden ist um einen knappen halben Meter tiefer gelegt worden – etwa halb so tief wie anfangs vorgesehen. Die helle Bodenplatten aus Pfälzer Sandstein harmonieren mit dem Farbton der Wände. Das Fenster an der Ostseite ist im unteren Bereich nicht mehr zugemauert, sondern in seiner ganzen Höhe wieder sichtbar und mit passenden Glaselementen nach unten ergänzt worden. Ein barrierefreier Zugang wurde geschaffen. Und nicht zuletzt hat Restaurator Quentin Saltzmann die um 1600 entstandenen Dekorationsmalereien, die das Fenster und die einstige Tür an der Südseite umrahmen, wieder ans Tageslicht gebracht. Die Freilegung der Inschriften an der Nord- und an der Ostseite aus der Zeit Anfang des 17. Jahrhunderts waren unerwartete Funde bei der Restaurierung. Große Fortschritte habe die Sanierung des Turmraums gemacht, sagt

Haro Schreiner, Vorsitzender der Haßlocher Turm-Initiative, im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Die wesentlichen Arbeiten seien so weit abgeschlossen, dass der Turmraum bereits genutzt werden könnte. Aber ein letzter großer Bauabschnitt stehe noch an, für den etwa 30.000 Euro aufgewendet werden müssten. Die Restaurierung der Wandmalereien, die nach den Worten von Schreiner „zum Leuchten gebracht werden sollen“, sei noch nicht abgeschlossen. Alle gotischen Rippen des Gewölbes sollen ihr ursprüngliches helles Rot mit einem dunkleren Begleitstrich bekommen, auch die beiden Schlusssteine an der Decke mit dem Haßlocher Amtssiegel und mit dem Kurpfälzer Wappen in den Originalfarben erstrahlen. „Nirgends ist mehr Haßloch als unter diesen beiden Schlusssteinen“, betont Schreiner.

Malereien sollen Brillanz bekommen

Die bei den Arbeiten zum Vorschein gekommenen Namen der Vögte Hans Bohler und Valentius Sigel sowie der Bürgermeister Lugarius Hatrel und Ludovicus Sigel, die nach langen Jahren unter Putz verblasst sind, sollen deutlicher erkennbar werden. Diese Signaturen und die Jahreszahl 1609

hatten es ermöglicht, die Entstehungszeit der Malereien genau einzugrenzen. Gelungen ist seiner Ansicht nach die Verlängerung des Fensters an der Ostseite. Der Bad Bergzaberner Glaskunstbetrieb hat die Farben des aus den 1950er-Jahren stammenden Fensters aufgegriffen und auf die ursprüngliche Größe nach unten erweitert. Geklärt werden müsse noch die Frage, wie die Nische an der ehemaligen Tür auf der Südseite, zu der jetzt eine Stufe nach unten führt, gestaltet und später genutzt werden soll.

Ebenfalls festzulegen sei das künftige Lichtkonzept, so Schreiner. Es sei daran gedacht, die Rippenbögen mit Spots von unten anzustrahlen. Heizleitungen seien verlegt, ein Heizkörper soll noch eingebaut werden.

Restaurator Quentin Saltzmann erklärte im Gespräch mit der RHEINPFALZ den weiteren Verlauf der Arbeiten, für die er noch keinen Auftrag erhalten hat. Die abschließende Restaurierung beziehe sich vor allem auf die Wände: Putzflächen müssten gekittet und die Rippen neu gefasst werden, damit der Raum ein rundes Bild bekommt. Bei den Ornamenten gelte es, Fehlstellen zu schließen und zu retuschieren, wo es notwendig ist. „Die Malereien sollen brillanter erscheinen“, so der Restaurator. Die Schlusssteine sollen gefasst und entsprechend der gefundenen Farbspuren wieder ihre originalen Farbtöne bekommen. Insgesamt rechnet Saltzmann für die jetzt noch notwendigen Arbeiten mit einem Zeitaufwand von einem bis anderthalb Monaten.

„Wunderbaren Raum“ mit Leben füllen

Rund 170.000 Euro – die Kosten des letzten Bauabschnitts eingeschlossen – wird das gesamte Projekt am Ende wohl kosten, schätzt Pfarrer Friedrich Schmidt-Roscher von der protestantischen Kirchengemeinde, die Eigentümerin des Turmraums ist. Er ist bereits jetzt begeistert davon, dass „ein wunderbarer Raum“ geschaffen worden sei, den es mit Leben zu füllen gelte. Ansprechend findet er den neuen hellen Sandsteinboden. Die Entdeckung der Inschriften lasse die Geschichte des Turmraums auf besonders spannende Weise erleben.

Schmidt-Roscher und Schreiner sind zuversichtlich, die Finanzierungslücke von 30.000 Euro wie schon in der Vergangenheit mit Spenden schließen zu können. Ohne diese Geldgeber wäre ein solches Projekt nicht möglich gewesen, betonen beide. Neben zahlreichen Privatspenden, unter anderem vom Lions Club, sei aus mehreren Töpfen Geld geflossen:

So habe die Generaldirektion Kulturelles Erbe zweckgebunden für die Freilegung der Malereien 5000 Euro gestiftet, der Zuschuss der Landeskirche betrage 20.000 Euro, die kirchliche Sozial- und Kulturstiftung habe knapp 4500 Euro gegeben, vom Kreis seien 5000 Euro gekommen.

Schmidt-Roscher stellt sich vor, den Turmraum künftig für die monatlichen Friedensgebete und weitere spirituelle Angebote zu nutzen, als Raum der Begegnung nach Festgottesdiensten oder auch als Proberaum für den Kirchenchor, sofern die Akustik dies zulasse. Schreiner denkt darüber hinaus auch an Marktkonzerte, Ausstellungen oder andere kleinere Veranstaltungen. Auch wenn der Raum bereits vorläufig genutzt werden könnte, wünscht sich Schmidt-Roscher eine feierliche Einweihung, wenn alles fertig ist – abhängig von der Entwicklung der Pandemie vielleicht schon im Frühjahr. Zunächst aber gelte es, Spenden zur Finanzierung des letzten Bauabschnitts zu sammeln.

TERMIN UND SPENDENKONTO

— Am Samstag, 4. Dezember, 9 bis 12 Uhr, Infostand der Turm-Inititative auf dem Rathausplatz mit der Gelegenheit, einen coronagerechten Blick in den Raum zu werfen.

— Spendenkonto: Turm-Initiative Haßloch, DE50 5465 1240 0004 9049 00